Arrogant, dumm oder beides?

Diesmal fange ich mit dem Fazit an.

  • Manche Menschen sind arrogant, andere sind dumm.
  • Einige sind beides.
  • Es gibt Leute, die wirken auf andere arrogant, sind es aber nicht.
    Sie sind nur weltfremd. Intelligent, aber lebensdumm.
  • Das beste Mitte gegen Arroganz ist praktische Arbeit – schrauben, bohren, Fliesen legen.

Der Fliesenleger Michael Schmiedl machte kürzlich Furore in den Medien. Auf seiner Website ist zu lesen: Wir arbeiten nicht für Ingenieure, Doktoranden, Professoren der Firmen Audi und Siemens.

In einem Interview sagt Schmiedl: „Ich bekomme viele Dankesschreiben, vor allem von Audi-Mitarbeitern. Fast alle sagen: ‚Endlich sagt es mal einer.‘ Darunter sind auch ein paar Ingenieure. Die sind froh, dass diese Arroganz und dieses Verhalten von oben herab mal angesprochen wird.“ (–> SPIEGEL, 12.01.2019)

Wenige Tage später interviewte der SPIEGEL hierzu den Sozialwissenschaftler Fritz Böhle. Dessen Kommentar (–> SPIEGEL, 16.01.2019):

Der Fliesenleger hat Recht. Aber das Problem ist keine persönliche Arroganz der Ingenieure, sondern dahinter liegt vielmehr ein Problem der akademischen Ausbildung (…) Der Ingenieur in einem Großunternehmen lebt in einer völlig anderen Welt (…), denn es gibt (…) immer mehr Leute, die direkt von der Universität in die Betriebe kommen. (…)
Wir haben nun mal in unserer Gesellschaft diese Hierarchie: da unten der Fliesenleger, der hat „nur“ eine berufliche Bildung, und da oben der akademisch Ausgebildete. Das ist falsch. (…) Beide Berufsgruppen müssen sich gegenseitig wertschätzen und auf Augenhöhe miteinander sprechen. Ein Studium ist super, aber es sagt einem nicht alles über die Welt.

Das ist es: Weltfremdheit, Mangel an Lebensklugheit. Und das Fatale ist, junge Menschen werden heute von Bildungspolitikern, Eltern, Lehrern und „Beratern“ systematisch daran gehindert, zu einer guten Balance von Kopf, Herz und Hand zu gelangen – im Sinne des Schweizer Pädagogen Pestalozzi.

Seit der Antike zählen die Philosophen praktische Vernunft (phronesis) zu den wichtigsten Tugenden. Bei Wikipedia wird hierzu Aristoteles zitiert, der den Zusammenhang von Klugheit und Erfahrung erkannte:

Da die phrónēsis auf das Einzelne gehe, bedürfe sie der Erfahrung. Erfahrung benötige Zeit. Deshalb könnten junge Menschen mangels Erfahrung nicht klug sein.

Aristoteles würde heute vermutlich den Satz hinzufügen: Speziell in Deutschland gibt es viele Menschen, die auch mit vierzig Jahren kaum praktische Erfahrung haben und somit nicht wirklich klug sein können.



2 Kommentare

  1. Bernhard M. Scheurer —   24. Januar 2019, 10:23 Uhr

    @Alois

    Bezüglich Kommentarfunktion muss ich gestehen, die Sache braucht noch etwas Zeit. Meine Web-Agentur hat in letzter Zeit mit Hochdruck an meiner neuen Website bmscheurer.de gearbeitet, die aber seit gestern fertig ist. Ich hoffe, bis Ende nächster Woche kann man wieder problemlos kommentieren.

    Zum Thema Arroganz: Das Wort kommt ja vom lateinischen „arrogare“ (Fremdes für sich beanspruchen, sich anmaßen –> http://www.dwds.de). Insofern liegen Sie völlig richtig mit Ihrer Einschätzung, dass viele Menschen, die nicht allzu viel mit eigener Kraft geschafft haben, gern ihr „Ego aufblasen“, indem sie das tolle Image Ihres Arbeitgebers für sich in Anspruch nehmen; als BVB-Fan finde ich übrigens Ihren Verweis auf den FC Bayern durchaus treffend.
    Dennoch denke ich, dass auch die Deutung von Fritz Böhle schlüssig ist: Wer nicht nur studiert hat und dann von der Uni sofort zu Audi gegangen ist, wird nicht so schnell arrogant werden; er hat beispielsweise in einem mittelständischen Betrieb eine Ausbildung gemacht und sein Metier von der Pike auf gelernt – darauf kann er stolz sein und hat es nicht nötig, sich mit fremden Federn zu schmücken. In Köln sagt man, „hä ess ene Jung us em Veedel“ (er ist ein Junge aus unserem Viertel, sprich: einer von uns).

  2. Alois —   23. Januar 2019, 18:13 Uhr

    Geht die Kommentarfunktion wieder?

    Ich glaube gar nicht unbedingt, dass das an der akademischen Ausbildung liegt. Diese Leute sind hochintelligent, sonst wären sie nicht da, wo sie sind, und nun sind sie bei Topfirmen gelandet, die zu den Spitzenunternehmen dieser Welt zählen, mit Produkten die weltweit nachgefragt sind. Dadurch wird das Ego entsprechen aufgeblasen, was zunächst gar nichts mit der Leistung zu tun hat. Halt so ähnlich wie der FC Bayern.
    Das macht sie arrogant. Ich glaube aber, dass gerade die Autoindustrie jetzt wieder demütiger werden wird, wenn es sie in 5-10 Jahren überhaupt noch gibt. Die erleben gerade die digitale Disruption in Reinkultur und schrumpfen dadurch wieder auf Normalmaß.

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